Kreistag (Teil 19): Bonbons, Bonbons, Bonbons

18. März 2024, Kreistagssitzungssaal Darmstadt-Kranichstein

Beginn: 13:02 Uhr – Ende: 16:41 Uhr

Vorab

Die Kreistagsvorsitzende hatte vor knapp drei Wochen per Rundmail angekündigt, dass es wegen der angespannten Finanzlage des Landkreises nun während der Sitzungen kein kostenloses Mineralwasser mehr geben werde; wahrscheinlich –wie ich in den sozialen Medien vermutete–, um mehrere Dutzend Euro einzusparen und so den Haushalt 2024 zu retten. Kurz vor der Sitzung hieß es, man könne zum „Selbstkostenpreis“ im Foyer Wasser (€ 1,50 für 0,2 l) und belegte Brötchen mit Käse oder Schinken (€ 2,–) kaufen. Da hatte ich aber schon selbst Wasser und vegane Energieriegel besorgt (es gab ja nur was zu essen für Nicht-Veganer) und biete sie nun gegen freiwillige Spende an (9 Fläschchen Wasser (0,5 l) hatten mich beim Aldi wenige Cent gekostet). Ob mich wohl wieder irgendwer verpetzt und die Kreistagsvorsitzende daraufhin an meine Adresse gewandt trotzig von „Hausrecht“ und „ungeschriebenen Gesetzen“ ruft?

Der schon traditionelle, laute Schepper-Gong schallt um 12:59 Uhr und 15 Sekunden später noch einmal. Die Kolleg:innen werden leiser, setzen sich aber nicht. Kurz nach dem Gong um 13:01 Uhr eröffnet die Kreistagsvorsitzende die Sitzung und alles huscht auf die Stühle.

Beginn: 13:02 Uhr

Wie immer seit mehr als zwei Jahren fehlt AfDer Nitsch; diesmal mal wieder unentschuldigt. Landesministerin Heike Hofmann (sPD) hat ihr Kreistags-Mandat zur Verfügung gestellt. Wann folgt der andere Minister Manni Pentz (€dU), der heute auch fehlt (entschuldigt)?
Die GrüNeen verteilen in ihren Reihen selbst gebackene Kekse. Wird da die Cannabis-Freigabe zum 1. April gefeiert, um die heutige Haushalts-Debatte erträglich zu machen?

TOP 2 – der Landrat spricht

Ein sichtlich gut gelaunter Scheelhaas rückt sich am Rednerpult die Mikrofone zurecht und legt los: durch die Zusage der Bundesregierung, den Kommunen mehr Geld zu geben für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge ist der Kreis-Haushalt 2024 genehmigungsfähig und kann heute verabschiedet werden. Er hebt hervor, dass auch der Tarif-Abschluss für die Beamten niedriger ausgefallen ist als angenommen und nun im Haushalt € 700.000,– „gespart“ werden konnten. Ich sage zu meinem Tisch-Nachbarn: „Da habe die aber schlecht verhandelt und sich schön über den Tisch ziehen lassen“ und er nickt.
Der Landrat erklärt die bevorstehende Fusion der Sparkassen Darmstadt und Dieburg. Der Landkreis Darmstadt-Dieburg besitze 40% der Anteile an der Sparkasse Darmstadt und 51% an der Sparkasse Dieburg. Er erklärt kleinteilig, welche Vorteile der Zusammenschluss haben wird, aber ich höre gar nicht richtig zu. Schon nach 13 Minuten ist er fertig – eigentlich ein Wunder, aber der Wille, die Zustimmung zum Haushalt mit der Mehrheit der sPD/€dU-Angola-Koalition möglichst schnell durchzudrücken, ist anscheinend größer als seine Lust sich selbst reden zu hören.

TOP 7 – die Kreistagsvorsitzende ist parteiisch und hat’s nicht im Griff

Während im TOP 6 bei den €dU– und sPD-Redner:innen mal öfter der Zeit-Buzzer getönt hatte, hatte man hierfür ganze 15 Minuten pro Fraktion bzw. Fraktionslosem vorgesehen. Ich mache es mir bequem, denn ich bin bei diesem Tagesordnungspunkt nur zum Zuhören anwesend. Der GrüNee Grunwald eröffnet den Rede-Marathon und bemängelt, die Angolas (sPD/€dU) hätten nie Infos zur Haushaltslage herausgegeben, woraufhin die €dU aus Protest laut „quack-quack-quack“ (oder so) schnattert. V.a. die €dU hätte bei den Flüchtlingen ohne Ende gespart, sagt Grunewald, und nun würde ausgerechnet die „böse“ Ampel mit den Bundeshilfen den intransparent kalkulierten Haushalt retten.

Eine Lektüre für den Fall, dass die Haushaltsdebatte zu langweilig wird, habe ich dabei.

Danach schaltet sich der Landrat ein und meint lapidar, dass es egal sei, ob die GrüNeen dem Haushalt zustimmten oder nicht, denn „dafür sind ja die Mehrheiten erfunden worden“, was IMHO zwar richtig, aber a) ziemlich arrogant, und b) eine Respektlosigkeit eines hohen Amtsträgers der Demokratie gegenüber ist*. Er fände es nicht gut, dass die GrüNeen daran erinnern, dass die Angola-Koalition aus sPD/€dU jede Diskussion zum Haushalt abgewürgt hätte: „Ich wünsche mir, dass Sie mehr in die Gegenwart denken.“ Sein Motto ist offenbar „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“, was beim „Klimakanzler“ mit selektiver Amnesie (siehe CumEx, Warburg-Bank, Brechmitteleinsatz,…) nun wohl eine sPD-Tradition zu werden scheint.
Der Linke Bischoff redet noch, und beim Vortrag des zerzausten Professors von der Spaßpartei fdP ist die Aufmerksamkeitsspanne mittlerweile so niedrig, dass €dU-MdL Maxi Schimmel mit seinen Sitznachbarn babbelt und ich damit kämpfe, nicht wegzunicken.

Als Jungspund Zeißler (€dU) ans Rednerpult geht, setze ich mich auf: mal sehen, welche Rede Mentor Manni Pentz ihm diesmal geschrieben hat und welche direkten Anfeindungen gegen die Opposition er diesmal fährt. Ich werde aber zunächst enttäuscht: er babbelt nur herum, so dass erste Rufe mit „Komm zum Thema!“ aus dem Saal schallen. Da er nach einer gefühlten Ewigkeit immer noch themenfremd rumlabert, mache ich es mir zur Aufgabe, ihn wiederholt (etwa jede Minute) mit dem Zwischenruf „Haushalt!“ daran zu erinnern, worum es gehen soll. Die Kreistagsvorsitzende greift absichtlich nicht ein und fordert nach gut fünf Zwischenrufen von mir und Protesten aus den Reihen der Opposition zu mehr Gelassenheit auf. Bei Menschen, die sie persönlich nicht mag, wie Werner Bischoff, wäre sie nach kurzer Zeit eingeschritten und hätte ihnen das Mikrofon abgedreht; ihre Kumpels von sPD und €dU dürfen sich aber offenbar (so gut wie) alles erlauben, z.B. indem Jungspund Zeißler am Ende seiner Rede den Kollegen Bischoff damit beleidigt, er solle doch sein „Daniela-Klette-Poster über dem Bett anbeten“ und aufhören „mit seinem Russland-Kuschelkurs“, was den angesprochenen völlig zu recht auf die Palme bringt und die Kreistagsvorsitzende wieder mal beweist, dass sie nicht mehr ganz auf der Höhe ist, denn sie hält es nicht einmal für nötig, den unverschämten €dU-Jüngling zu bremsen und missachtet damit eklatant ihre eigene Regel „Keine persönlichen Beleidigungen“. Bischoff fordert sofort das Recht auf eine persönliche Erklärung nach Geschäftsordnung, die ihm die Kreistagsvorsitzende verweigert: noch ein Beleg, dass Frau Wucherpfennig als Kreistagsvorsitzende eigentlich nicht mehr tragbar ist. Wann gibt es Konsequenzen?

Jörg Rupp (UWG/FW) sagt noch, der Haushalt sei nur deswegen genehmigungsfähig, weil der Bund einmalig 22 Mio. Euro zugeschossen hätte und dem Kreis damit „Geld geregnet“ sei, was dem Landrat nicht schmeckt.
Als die Föööhrrrerrrin der #FCKAfD zum Rednerpult watschelt, verlasse ich den Saal. Das GrüNee-Bashing und anderes Gehetze will ich mir nicht antun. Draußen im Foyer sitzen noch ein paar Kolleg:innen; fast alle der sPDler:innen und €dUler:innen haben aber wohl kein Problem, der Frau der Nazi-Partei** zuzuhören. Später erzählt man mir, die Föööhrrrerrrin hätte nach dem üblichen Anti-Grün-Gehetze irgendwelche krude Verschwörungstheorien und rassistische KackscheiBe von sich gegeben. Auch hier griff die Kreistagsvorsitzende nicht ein und ließ die Fööööhrrrerrrin der #FCKAfD mit ihrem antidemokratischen Geseier gewähren. Sie ist schon geil, diese auf persönlichen Befindlichkeiten basierte Boomer-Demokratie. V.a. sPD und €dU scheint das alles auch völlig egal zu sein, weil sie anscheinend in der Schule in Geschichte nicht aufgepasst haben***. Also bitte nicht wundern, wenn es demnächst Koalitionen mit den Nazis gibt!

Am Ende kommt es so, wie der Landrat prophezeit hatte: die „dafür erfundene Mehrheit“ winkt den Haushalt durch und die Angola-Koalition (sPD/€dU) darf ein weiteres Jahr ihr (Un-) Wesen treiben. Für’s nächste Jahr soll eine externe Beratungsfirma hinzugezogen werden, um nach Einsparungs-Möglichkeiten zu suchen. Wetten, die bemängeln das Gleiche, das ich in TOP 11 und TOP 15 ironisch-sarkastisch ansprechen werde?

TOP 11 – Fraktionen-Füße rufen „Au!“

Zu diesem Punkt hatte ich als einziger explizit Redezeit beantragt, da niemand etwas dazu sagen wollte (hier der Antrag dazu). Ich zeige auf, dass die benachbarten Landkreise Groß-Gerau und Bergstraße (beide mit gleich großem Kreistag wie der LaDaDi) wesentlich weniger Geld für die Fraktionen ausgeben; nämlich nur bis zur Hälfte von dem, was die Fraktionen in Darmstadt-Dieburg sich selbst genehmigen. Nach meiner Rede herrscht betretenes Schweigen im Saal. Der Presse gebe ich noch die entsprechenden Seiten der jeweiligen Haushaltspläne 2024 (Darmstadt-Dieburg (Anlage 4, S. 709) vs. Groß-Gerau (S. 603) und Bergstraße (Anlage 6, S. 465)), damit sie berichten kann (was sie nicht tut).
Sowohl Maxi Schimmel (€dU) als auch Frau Blitz-Tropf (GrüNee; Name geändert) fühlen sich genötigt, darauf zu antworten. Bemüht väterlich-überheblich erklärt Schimmel, dass dieser Punkt schon lange mit allen Fraktionen so abgesprochen sei (als ob ich das nicht wüsste…) und Frau Blitz-Tropf glaubt, mich womansplainen und in einfacher Sprache erklären zu müssen, dass Fraktionen per Gesetz gewisse Privilegien hätten und sagt, die Fraktionen hätten z.T. hauptamtliche Geschäftsführer****. Beide sagen kein Wort über die mehrfach höheren Beträge im Vergleich zu den Nachbar-Landkreisen und auch Jörg Rupp (FWG/FW), der nur die letzten Sekunden meiner Rede gehört hatte (weil nicht im Saal), meint, mir Respektlosigkeit der Demokratie gegenüber und Förderung von Politikverdrossenheit vorwerfen zu müssen, sagt nichts zum eigentlichen Thema, um das es geht – wodurch ich zu dem Schluss komme, dass die sehr gute PARTEI im Kreistag offenbar ziemlich heftig auf ein paar sensible Hühneraugen getreten und etwas angesprochen hat, worüber die Fraktionen lieber das Deckmäntelchen des Schweigens legen wollen. Wir von der Aufklärer-PARTEI bleiben weiterhin dran, um den Landkreis Darmstadt-Dieburg finanziell wieder in die Spur zu bringen. Wir geben unser Ehrenwort! Versprochen!

TOP 15 – noch mehr Hühneraugen schmerzen

Während die Redezeit zu TOP 11 eher spontan beantragt wurde, war dies ein regulärer Antrag der sehr guten PARTEI mit einem sehr guten Spar-Vorschlag für den Kreishaushalt: wir senken die Aufwandsentschädigung für die Kreistagsabgeordneten um 40%, da sowieso kaum jemand außer den Fraktionslosen das Geld auch wirklich bekommt und nicht an ihren Kreisverband abgeben muss, damit davon Luftballons, Kugelschreiber und Bratwürstchen gekauft werden. Als ich das in meiner Begründung am Rednerpult anspreche, schauen sich verschiedene sPD-, €dU– und GrüNee Kolleg:innen an und ich grinse: schon wieder ins Schwarze getroffen. Es will dann auch niemand anderes etwas dazu sagen. Am Ende stimmen Werner Bischoff und ich für den Antrag, ein GrüNeer enthält sich und alle anderen schneiden sich lieber weiterhin ins eigene Fleisch und finanzieren ihrem Partei-Kreisverband Flyer und sonstigen Quatsch, der nach dem Verteilen in der Fußgängerzone sowieso bald im Müll landet.

Um 16:41 Uhr ist Schluss.
Ich packe Wasser und Energieriegel wieder ein: kein Interesse der Kolleg:innen. Vom bösen Nestbeschmutzer bzgl. Fraktionen-Finanzierung will man anscheinend nichts annehmen.


*) Ich erinnere gerne an die Antwort an das „Echo“ zum „Respekt vor dem Amt“ als Die PARTEI im Landratswahlkampf 2021 „Scheelhaas ist doof“-Plakate aufgehängt hatte. Es ging aber gar nicht um den Landrat, sondern um einen Hamster. Da hatten das „Echo“ und er wohl was falsch verstanden.

**) Zitat Henrik Wüst (€dU)

***) Ähnliches hatte €dU-Frau Brockmann in ihrer nach Kreistags-Geschäftsordnung unberechtigten „persönlichen Erklärung“ zu einem externen Thema nach der Kreistagssitzung im April 2022 mir vorgeworfen (das „Echo“ berichtete).

****) Das ist völlig unnötig bei den wenigen Fraktionsmitgliedern und der Tatsache, dass sPD und €dU sowieso alles von der Verwaltung machen lassen. Hier werden „alte“ und „verdiente“ Parteimitglieder abgestellt und alimentiert – siehe auch Kreistagsvorsitz und verschiedene der Mitglieder im Kreisausschuss. KlüngeleiSmiley