12. Dezember 2022, Kreistagssitzungssaal Darmstadt-Kranichstein
Beginn: 13:04 Uhr — Ende: 14:47 Uhr
Vorab
Heute sind alle sehr aufgeregt, denn es gibt Kaffee und Kuchen – ein Luxus, den man nur selten bekommt in der hessischen Lokalpolitik*. So dauert es auch lange, bis sich nach dreimaligem Glocken-Bimmeln der Kreistagsvorsitzenden Frau Wucherpfennig (sPD) die Pfennigfuchser:innen (pun intended) mit Kaffee und (meist mehreren Stücken) Kuchen versorgt an ihre Plätze begeben haben. Die Vorsitzende kündigt zur Eröffnung –zusätzlich dazu, dass die Gonganlage anscheinend kaputt ist– an, dass es im Anschluss zusätzlich noch Glühwein und Punsch gibt. Ich wundere mich: Ja, ist Weihnachten, oder was ist los?
Beginn: 13:04 Uhr
Frau Wucherdings weist darauf hin, doch bitte eine FFP2-Maske zu tragen; das wird aber –wie beim letzten Mal– nur von wenigen beachtet. Die anderen halten sich wohl für immun. Der #FCKAfDer Nitsch ist schon wieder nicht da; diesmal unentschuldigt. Wohnt der überhaupt noch im Landkreis oder hat er Long Covid? Wer überpürft das, wenn er nun schon seit einem ganzen Jahr fehlt?
TOP 6 – der Nachtragshaushalt (noch mal!)
Jörg Rupp (UWG/FW) bemängelt, dass im Nachtragshaushalt die Energiekosten, v.a. für die Kreiskrankenhäuser, nicht eingerechnet sind; die grüne Rednerin wähnt sich noch im vorigen Jahrtausend und spricht von Beträgen in D-Mark (Und wie viel Schilling sind das, Mady Riehl?). Matti Merker (sPD) ist optimistisch (oder naiv?), glaubt, dass das vom Bundesgesundheitsminister versprochene Geld per Gesetz bald kommt und fordert uns alle auf, Lauterbach beim Wort zu nehmen: „Bitte zustimmen.“ Der zerzauste Professor von der #Spaßpartei #fdP glaubt dasselbe, wendet sich in seiner Rede an Herrn Rupp und schaut mich dabei an. Was habe ich damit zu tun?
Der Landrat (sPD) geht zum Rednerpult und spricht; diesmal nur fünf Minuten (ich bin erstaunt). Er ist skeptisch und glaubt nicht an eine „Revolution“, was die Finanzierung von Krankenhäusern angeht. Er hätte gern Unrecht, sagt er – und wahrscheinlich auch gern kein Partei-Ausschlussverfahren, weil er es wagt, das Wort eines sPD-Ministers anzuzweifeln (was unter #FTZNFRTZ Merz in der €dU nun bestimmt unmöglich ist; Peitschenhiebe und so…).
TOP 10 – Lobhudler unter sich
Demnächst wird der Klärschlamm aus dem Landkreis nicht mehr einfach auf die Felder aufgebracht, sondern in der Müllverbrennungsanlage Darmstadt verbrannt (die Anwohner:innen im Johannesviertel freuen sich sicher). Die Redner:innen von sPD, Grünen, €dU und fdP klopfen sich alle selbst auf die Schulter und prahlen damit, was für tolle Hechte sie doch alle sind (Herr Achilles (Spaßpartei fdP) erzählt auch noch ein Märchen dazu; jedenfalls hat man den Eindruck…). Das Eigenlob riecht genauso wie der Klärschlamm. Wenn keine:r was zu sagen hat, wieso wird dann Redezeit beantragt?
Frau Wucherdings nimmt die Gelegenheit wahr und weist auf Kaffee und Kuchen hin – und ist damit schlauer als die Politik-Darsteller am Rednerpult.
TOP 11 – drei gehen raus wegen Befangenheit
… und Frau Wucherpfennig äußert Besorgnis, dass es nicht genügend Kuchen gibt.
TOP 12 – Umsetzung der UN-Behindertenkonvention
Während der Reden gehen sieben €dUler und drei sPDler demonstrativ raus zum Kuchen-Holen. Toll, dieser Respekt den Behinderten gegenüber.
TOP 15 – Winterjacken und Fliegengitter
Meine Rede zum ersten PARTEI-Antrag im Kreistag seit Kriegsende war nicht gut, denn niemand ist aufgesprungen und hat empört dazwischen gerufen. Da muss ich noch besser werden. Diesmal habe ich meinen üblichen Schluss-Satz („Ceterum censeo AfD esse delendam“) weggelassen; es soll ja keine:r dumm bleiben, weil sie/er keine Fremdsprache kann.
Herr Fuchs-Bischoff (Grün) schreitet bedeutungsschwanger ans Rednerpult und erklärt, der Antrag sei unnötig. Ich ziehe die Augenbrauen vor Erstaunen hoch. Man solle mich ignorieren, denn das Ganze sei Zeitverschwendung und diene nur meiner Selbstdarstellung. Seltsam, wenn erst ein paar Minuten vorher niemand was essentielles zum TOP 10 zu sagen hatte, aber viele gebabbelt haben… – zumindest haben ein paar der Grünen, die mir trotzdem Aufmerksamkeit schenken (z.B. Herr Gaa auf Twitter), so ihr seltsames Demokratie-Verständnis offenbart. Um es mal mit Matti Merker (sPD) zu sagen (Zitat und sic!): „Dich zwingt niemand dein Mandat zu behalten.“
TOP 19: Werner Bischoff muss raus
Da er von seinem eigenen Antrag betroffen ist, muss der olle Kommunist Bischoff den Saal verlassen. Offensichtlich ist er ganz baff, denn er hatte eine lange Rede zur Begründung des Antrags vorbereitet. Besonders die €dU, und von denen Jungspund Zeißler, ereifert sich, die Regelung durchzusetzen. So kennt man die Rechten nur, wenn sie Linksextreme und Schmarotzer bekämpft: „Klimaterroristen“ und „Sozialtouristen“ zum Beispiel.
Frau Wucherpfennig will die Sitzung schon beenden (sie ist wohl scharf auf Glühwein oder eins der letzten Stücke Kuchen), wird aber darauf hingewiesen, dass sie noch fragen muss, ob jemand zu TOP 19 reden möchte. Niemand möchte. Nach einem kurzen Jahresrückblick 2022 versucht sie nochmal, die Sitzung zu schließen, als der Landrat sie unterbricht und sagt, es gäbe nun gleich weißen und roten Winzer-Glühwein im Foyer, den er aus eigener Tasche bezahlt habe und er damit eine Art „After Work“-Tradition zu etablieren versuche.
Um 14:47 Uhr ist dann tatsächlich Schluss. Hurra, endlich Glühwein… – äh, Weihnachten!
Nach der Sitzung
Ich nehme mir einen Becher Glühwein und smalltalke mit den Bischoffs (Bischoff und Fuchs-Bischoff) an einem Stehtisch. Später spricht mich –zum ersten Mal überhaupt und sehr freundlich– der Landrat an und ich erfahre von Frau Sprößler (sPD), dass sie –völlig zu Unrecht, wie sie gesteht– Ehrenmitglied im Fanclub Odenwälder Fohlen ist. Na, dann weiß ich ja, welchem #Borussia-Fanclub ich mich nicht anschließen werde – außer, ich bekomme auch ohne jeglichen Verdienst im Club die Ehrenmitgliedschaft („Borussia 120 Jahre“-Jubiläums-Trikot und Borussia-Ausrüstung bringe ich selbst mit).
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*) Ich war im Oktober 5 (in Worten: fünf) Tage auf einer bundesweiten Mandatsträgen-Tagung der sehr guten PARTEI in einem tollen Spa-Resort in Brüssel gewesen (vielen Dank noch ans Wahlvieh, das mir diesen schicken Urlaub dieses harte Arbeits-Meeting von seinen Steuern bezahlt hat; inkl. Sonderurlaub). Ich hatte dort u.a. erfahren, dass z.B. NRW wesentlich spendabler umgeht mit seinen Lokalpolitiker:innen, was die Aufwands-Entschädigung angeht, sie auch als Fraktionslose problemlos „sachkundige Bürger:innen“ einbringen können und es zum Jahresabschluss ein Mehr-Gänge-Menu für alle, inkl. Partner:in, gibt.